Zum Inhalt springen

Scotland the Brave, Jeky the Tired

17. August 2010

Und am Wochenende war es soweit: Edinborough. 11 Jahre nach dem Erstbesuch, einer traumhaften Autorundreise durch die Highlands, wollten wir -Muddi und ich- das nachholen, was wir damals nicht rechtzeitig eingeplant hatten: einen Besuch des Edinburgh Military Tattoo direkt vor dem Eingang zum altehrwürdigen Edinburgh Castle. Nein, es handelt sich nicht um eine Tätowierung, die wir uns im fortgeschrittenen Alter noch gönnen wollten, sondern um die 60. Auflage des Höhepunktes des Edinburgh Festivals.

Freitag abend angereist, Samstag morgen schon um acht Uhr das Hotel verlassen. Carpe horam. Und entgegen aller immer wieder gerne geäußerten Unkenrufen: auch bei diesem zweiten Besuch in Schottland lachte die Sonne. Strahlend blauer Himmel bei bestimmt 25 Grad, T-Shirt-Wetter, Hunderte von Menschen auf dem gepflegten Grün unterhalb der Princess Street – ein Traum.

Da ohne Auto angereist, kauften wir uns diese 24 Stunden gültigen Bustour-Tickets „hop on and off“, rauf auf den Doppeldecker und alles, was letztes Mal aus Zeitmangel nicht ging, nachgeholt.

Aber der eigentliche Grund unseres Hierseins war die für 22.30 Uhr angesetzte Vorstellung des Tattoo. Mit Feuerwerk. Es heißt, die Tribünen bieten 8.600 Menschen Platz.

Allerdings ist „Platz“ da eher relativ. Da wird menschliche Nähe gefördert, wo sie keiner so wirklich haben will, alles, was im Format über den normalen BMI hinausgeht, ist das echt stressig. Vor allem, wenn entweder a) die Reihe oder b) der Platz verwechselt wird und ein munteres Hin-und Herwechseln angesichts der schwindelsteilen Höhe nicht ganz ungefährlich ist.

Bis man allerdings hier zum direkten Zugang zum Castle kommt

bewältigt man ein eineinhalbstündiges Anstehen. Für einen gestählten St. Pauli-Fan ohne Dauerkarte ein Klacks.

Die Showacts sind ja, wie im wiki-Link beschrieben, traditionell zum größten Teil festgeschrieben, mit einigen Varianten. Wobei ich gestehen muss, dass bei aller musikalischen Virtuosität der Teilnehmer die Massed Pipes and Drums für mich unschlagbar sind. Selbstverständlich habe ich vom Aufmarsch Fotos gemacht, zu der gewohnten Unschärfe kam dann noch die Dunkelheit und die Leistungsschwäche des Blitzes und schwupps waren sie fertig, die Fotos, die ich hier nicht mal mehr einstellen kann. Und selbst wenn, das gibt das alles gar nicht her, wie großartig das klingt und aussieht.

Und wenn nach dem Feuerwerk die schottische Flagge auf der Burg gehisst und angestrahlt wird und eine Stimme, die klingt wie Mel Gibson in Braveheart, aus der Nationalhymne zitiert

Towering in gallant fame,
Scotland my mountain hame,
High may your proud standards gloriously wave,
Land of my high endeavour,
Land of the shining river,
Land of my heart for ever,
Scotland the brave.

dann ist bei mir Gänsehautzeit. William Wallace, Robert the Bruce, Highlander … hach!

Also begnüge ich mich mit Panoramen des Tages, vom Frühstück Samstags morgens in der Frederick Street

bis Sonntag zum Brunch Ecke Princess Street

und das Ganze bei Traumwetter.

Vom -hervorragenden- Hotel aus übrigens direkter Blick aufs Castle, Laufentfernung ein Kilometer bis da hin, wo das Leben tobte.

und nur einen knappen Kilometer Fußweg dorthin, wo während des „Fringe“, des Festes der Straßenkünstler aus Schottland und der Welt in den Fußgängerzonen rund um die High Street, das pralle Leben tobt.

Abends gibt es in jeder Kneipe und jedem kleinen oder großen Theater Kleinkunst, Ausstellungen, Comedy, Schauspiel – endlose Unterhaltungsmöglichkeiten. Dazwischen auch mal gerne ein englisches Erdbeersahnetörtchen

das wir uns aber beim erneuten Besteigen des Scott Monuments
und seiner 287 Stufen wieder abtrainiert haben. Ganz oben kommt man übrigens auch nur mit Normal-BMI durch das letzte in Stein gehauene Loch zum Ausblick rund um Edinburgh. Warum ich davon dann kein Foto mehr gemacht habe – keine Ahnung. Muss der Sauerstoffmangel gewesen sein.

Alles in allem: es war großartig! Abgesehen davon, dass mein Reisepass noch nie so oft kontrolliert wurde wie beim Transfer von Amsterdam nach Edinburgh. Und dass ich noch nie so oft Laptop rein-Laptop raus, Flüssgkeitstüte rein-Flüssigkeitstüte raus praktiziert habe wie auf dieser Reise. Dass das Hotel einen Upgrade auf Executive Suite gewährt hat, hat uns die Anreisekleinigkeiten aber schnell vergessen lassen. Es war insgesamt wie vor 11 Jahren: so viel zu tun, so wenig Zeit. Könnte sein, dass wir nochmal hin müssen.

Und für den Herrn @tobybaier hab ich auch was mitgebracht: aus der kleinsten schottischen Destillery eine Kostprobe des 10jährigen Highland Single Malts. Da er sich ja hier nicht explizit zur MENGE des mitzubringenden Single Malts geäußert hat, sind es 5 cl geworden 🙂

Alles in allem ein sehr laufintensives, wenig schlafbezogenes Wochenende, das sich aber rundherum gelohnt hat. Kann mich ja die Woche über regenieren, bevor am Wochenende Freiburg passiert.

31 Kommentare leave one →
  1. 17. August 2010 10:12:33

    Wundervoll. Ich nehm es mal als Anschubs.

    • 17. August 2010 10:17:07

      Ich kann es nur empfehlen. Und Mitte August sind wir nun zweimal wettermäßig nicht enttäuscht worden. Wenn Sie Anregungen für eine Highland Rundreise brauchen, ich hätte da noch welche zu gegebener Zeit.

      Falkirk – Stirling – Loch Lomond – Oban – Fort William – Inverness – Aberdeen – Edinburgh war unsere Route seinerzeit.

  2. 17. August 2010 10:20:17

    Bei Lesen der Episode mit dem Rezitat aus Scotland the brave habe ich hier mal kurz eine Spontanträne auf der Backe zerdrückt. Jetzt hör‘ ich Runrig (natürlich Loch Lomond) und anschließend werde ich einen kleinen Marsch zu Drums & Bagpipes durch meine Wohnung aufführen und das ganze mit einem Dram Lagavulin krönen …oh ich liebe Schottland. Können wir am Wochenende gemeinsam singen?

    • 17. August 2010 10:46:22

      Ich habe auch heftig geschluckt und kriege schon beim Gedanken dran Gänsehaut. Habe mir selbstverständlich die CD zum Tattoo 2010 gekauft und werde die mal auf den iPod schaufeln, bringe den am WE mit!!!!! *sing*

  3. 17. August 2010 11:00:24

    Madame, Sie waren dort….. das Tattoo….. Edinburgh…. Scottland…. Ich beneide Sie und bügle sofort meinen Quillt !

    • 17. August 2010 11:03:57

      Sie sind Kilt-Träger? Warum haben Sie das nicht früher gesagt? Ich meine, VIEL früher?

  4. 17. August 2010 11:10:11

    Nicht nur den, Madame! Ich trage auch den grossen Hosenbandorden.
    Sie lieben es frisch gelüftet? Geheimnisse und so?

    • 17. August 2010 11:14:46

      Und wo klemmen Sie den Hosenbandorden an, wenn Sie einen Kilt tragen?
      Das Gespräch beginnt mich zu interessieren 🙂

      • 17. August 2010 11:29:35

        Da es ein Hosenbandorden ist, hoechstwahrscheinlich am Bandscheibenvorfall. Nicht wahr, Herr Adama?

        • 17. August 2010 11:34:09

          Dazu ist ein Rückgrat von Nöten, Herr Dr. Peh. Jetzt frag ich mich gar nicht wo Sie so ein Ding hinhängen würden!

  5. 17. August 2010 11:31:32

    Das kleine Täschlein am Qillt, Madame. Was denken denn Sie was da drin ist ausser den Münzen für den Bus und den Whisky?

    • 17. August 2010 11:40:51

      Da Angus MacGyver -der Name legt den Rückschluß nah- ebenfalls schottischer Abstammung zu sein scheint, erwarte ich in dem Täschlein so ziemlich alles vorzufinden, was man braucht, um die Welt, schöne Frauen und einen Airbus A-380 zu retten.

      • 17. August 2010 12:08:03

        Für die Rettung dieser Dinge genügt doch eigentlich eine Büroklammer und für die Damen ein ausgeprägter Charme.

        Ausserdem Sollten Sie den Platz wissen wo man solche Orden anbringt. Daher stammt auch der weltbekannte schottische Spruch „Es kann nur einen geben!“

        • 17. August 2010 12:11:48

          In Charmeangelegenheiten sind Sie sicherlich versiert, da habe ich keine Zweifel.
          Bisher kam ich noch nicht in die Verlegenheit, einen Hosenbandorden an passender Stelle anzubringen. Wobei ich erst heute gelernt habe, wo die passende Stelle offenbar ist.
          *tackerwegpack*

          • 17. August 2010 12:28:35

            Sie verleihen Hosenbandorden? Hui! Wer war denn die arme, äh …. glückliche Sau?

            • 17. August 2010 12:53:31

              Ich sag doch, Sie wären die Premiere. Ich habe mich nur noch nicht entschieden, in welcher… äh… Disziplin.

              • 17. August 2010 13:18:56

                Ich finde es hier ziemlich eng, Madame. Sie wollen mich doch nicht in die Enge treiben?

  6. 17. August 2010 11:42:43

    Bei einem Tattoo hätte ich jetzt nie an einen militärischen Marsch gedacht, aber man lernt ja nie aus, wie man so schön sagt.

    • 17. August 2010 11:46:40

      Grämen Sie sich nicht, ich schätze, das geht 95% der Leser so. Musste mich damals auch erst schlaulesen, weil ich nicht begriffen habe, was ein Tattoo mit Marschmusik zu tun hat. 🙂

      Außer dass sehr viele Teilnehmer wunderbare Tattoos tragen… 😉

  7. 17. August 2010 14:22:17

    Huhu! Kommen Sie mal nach unten links und atmen Sie t i e f durch.

  8. S. B. permalink
    17. August 2010 17:55:04

    Zitat aus meinem Heftchen:

    Donnerstag, 22.08.1991

    Edingburgh
    – Strassenmusik „The Light Programme“
    – Strassentheater – Jongleur mit Baumsäge…
    – 2* Essen in der Rose Street bei Becks – not bad
    – Stadtrundfahrt
    – abends Militär Tatütataaaaa!!!

    Wetter:
    – frühmorgens leichter Regen
    – tagsüber heiter bis wolkig

    Sch***!!! Ist das schon wieder 19 Jahre her? Dabei wollte ich Sie doch dieses Jahr dort mit Mutti treffen… *jaul*

    • S. B. permalink
      17. August 2010 19:49:11

      Und dann war da noch Frau Beamish, die eine bestimmte Örtlichkeit des Schlosses aufsuchte, während ich draußen, gemeinsam mit einem sehr britischen Soldaten, also einer in voller Montour, Wache hielt.
      Unser Smalltalk wurde jäh unterbrochen, als von einer Treppe ein männlicher, ziviler, sehr britischer Mensch in Tweedjacke und Stöckchen unterm Arm herunterkam.
      Mein sehr britischer Soldat spannte sich wie ein Flitzebogen, trat vier- bis zehn Mal mit den Hacken auf der Stelle, knallte selbige zusammen, während sein rechter Arm gleichzeitig hochschnellte und die Hand federnd vor der Kopfbedeckung halt machte.
      Ich übersetze jetzt mal: „Herr General, melde Toiletten mit fünf Frauen besetzt! Keine besonderen Vorkommnisse!“
      Es ist schlecht zu beschreiben, wie sehr ich mich erschrocken habe… 😉

      • 17. August 2010 22:42:47

        Holyrod Palace oder Castle? Ich sehe schon, wir müssen nochmal in die Planung eintreten.

        • S. B. permalink
          18. August 2010 07:54:49

          Kastell natürlich. Dort, wo die sich die Menschen näher kommen als ihnen lieb ist.

          Mein Sohn fliegt übrigens in ein paar Tagen rüber. Er will mich ärgern.

    • 17. August 2010 22:41:31

      *seufz* Und wieder nichts 😦
      Nochmal 19 Jahre warten? Herr Beamish, dann wird das aber eine Seniorengruppenreise mit Rollator.

  9. tobybaier permalink
    19. August 2010 09:41:44

    Da bin ich jetzt aber platt! Vielen Dank, da freue ich mich jetzt wirklich deutlich mehr drauf als auf eine Kiste Astra. Ich wusste doch, die Lena ist noch für was gut 😉

    Schöner Bericht übrigens, klingt nach einer Sache, die man keinesfalls mit zwei kleinen Kindern machen sollte. Aber die ziehen ja irgendwann aus. Und dann! 😉

    • 19. August 2010 09:46:38

      Stimmt, mit Kindern wäre das wohl doch zu anstrengend. Vor allem für die Kinder. Und eine Highland Rundreise bietet nicht wirklich viel kinderattraktives, aber wenn Sie die Gören mal eine Woche bei den Eltern/Schwiegereltern parken können – GO!

      Übergabe beim nächsten gemeinsamen Heimspiel! 🙂

      • tobybaier permalink
        19. August 2010 10:04:53

        Bei der derzeitigen Kartenlage wohl das nächste gemeinsame Auswärtsspiel 😉 Ich hoffe ja noch, Karten für Schalke oder Dortmund zu bekommen. Weiß nur noch nicht genau, wie…

Hinterlasse eine Antwort zu jekylla Antwort abbrechen